Ist die Strategie von Microsoft letztlich bloßes Absatzmarketing; eine Umsetzung von Go-to-Market-Strategien und Produktportfolio-Anpassungen, die auf Denkmustern des letzten Jahrhunderts basieren und exzellent exekutiert werden, wie Axel Oppermann, Geschäftsführer des Analyse- und Beratungshauses Apisvador, findet oder zeigt Microsoft den Wettbewerbern Amazon, Salesforce und Co. wie es richtig geht, wie René Büst, Senior Analyst und Cloud Practice Lead bei der Crisp Research AG mit dem Fokus auf Cloud Computing, das neue kommerzielle Cloud-Angebot von Microsoft bewertet, bei dem die Deutsche Telekom als Datentreuhänder den Zugang zu Kundendaten kontrolliert und überwacht?
„Microsoft macht alles richtig, und dennoch das Falsche.“
„Office 365, Azure und CRM-Online schon bald aus einem Rechenzentrum in Ihrer Nähe
Die Reise von der Unschuld zur Erfahrung: Microsoft bringt Cloud-Dienste in deutsches Rechenzentrum
Microsoft hat am 11. November angekündigt, ab dem zweiten Halbjahr 2016 nach und nach die Cloud-Services Azure, Office 365 und CRM-Online aus deutschen Rechenzentren heraus bereitzustellen. Der Konzern will in den kommenden Jahren hierfür einen dreistelligen Millionenbetrag investieren. Mit im Boot ist die Deutsche Telekom / T-Systems – unter anderem als Datentreuhänder.
Frag‘ die Kunden, was sie wollen und sie wollen schnellere Pferde.“ Frag die deutschen Entscheider, was sie in Bezug auf Cloud-Computing wollen und sie wollen deutsche Cloud-Datacenter. Microsoft kommt dem – mehr oder weniger – nach und spielt ein Wunschkonzert für deutsche Unternehmen.
So haben Anwenderunternehmen ab dem zweiten Halbjahr 2016 die Option, die Cloud-Services Office 365, Azure und CRM-Online auch aus Deutschland – aus einem deutschen Rechenzentrum heraus – zu beziehen. Die Standorte Frankfurt und Magdeburg bilden das geografische Rückgrat für die Dienste, die nicht durch Microsoft selbst bereitgestellt werden, sondern durch einen deutschen Dienstleister – die Deutsche Telekom / T-System. Ferner wird auf ein Datentreuhänder-Modell gesetzt. Dieses Treuhänder-Modell soll dafür sorgen, dass die erforderlichen Daten in Deutschland sind und bleiben. Mitarbeiter von Microsoft haben keinen (direkten) Zugriff auf die Systeme. Die technische und physische Kontrolle übernimmt der deutsche Dienstleister – er hat die alleinigen Zugriffsrechte.
Warum geht Microsoft diesen Schritt?
Es geht um die Erschließung von Märkten! So wie nahezu alle anderen großen Cloud-Protagonisten glauben auch die Verantwortlichen bei Microsoft, dass jetzt brandaktuell der Cloudmarkt verteilt wird und sie deshalb schnellstmöglich viele Kunden an das eigene Unternehmen binden müssen.
Deswegen ist es auch für ein Unternehmen wie Microsoft, das seine Schäfchen beizeiten ins Trockene gebracht hat, kein Problem, die übergeordnete Strategie einer weltweiten intelligenten Cloud-Plattform für Teilmärkte anzupassen, Millionen von Euro zu investieren und dies nicht nur für einen Teilmarkt– wie hier den deutschen Markt – zu tun.
Die Strategie von Microsoft ist letztlich bloßes Absatzmarketing; eine Umsetzung von Go-to-Market-Strategien und Produktportfolio-Anpassungen, die auf Denkmustern des letzten Jahrhunderts basieren und exzellent exekutiert werden.
In anderen Worten: Microsoft macht es wie immer – es wird ein Markt erarbeitet. Egal wie gut oder schlecht ein Produkt oder eine Strategie auch ist: Es wird so lange angepasst, so lange entwickelt, so lange gefeilt, bis die Bedarfe einer breiten Masse getroffen werden oder durch geschicktes Produktbundling signifikante Marktanteile gewonnen werden. Im Anschluss gilt es durch Up- und Cross-Sell sowie entsprechendes Preismanagement die Investitionen zu refinanzieren und dann noch mehr herauszuholen. Ob das in einem Modell funktioniert, welches durch das eigene Design nur bedingt skaliert, sei dahingestellt. Dass Microsoft weitreichendere Strategien verfolgt, die auf eine entsprechende Anpassung bzw. Regulierung von Gesetzen und Verordnungen abzielt, ist mehr als wahrscheinlich; dennoch bleibt die Entwicklung abzuwarten.
Dabei setzt Microsoft auf die vier zentralen Prinzipien der Cloud: Sicherheit, Datenschutz, Transparenz und Compliance. Cloud-Computing ist dabei auch eng mit Vertrauen verknüpft, welches neben der technischen Komponente insbesondere durch hohe Standards bei den Rechten des Einzelnen und dessen Daten erarbeitet wird.
Was haben Anwenderunternehmen davon?
Insbesondere Anwenderunternehmen, die ihren eigenen moralischen Kompass stark eingenordet haben, die mit sensiblen Daten arbeiten oder einfach nur auf der sicheren Seite sein wollen, bekommen durch den Service in weiten Teilen eine neue Sourcing-Quelle. Profitieren können davon beispielsweise Steuerberater und Anwälte, aber auch mittelständische Unternehmen aus – und mit Zentrierung auf – Deutschland.
Entscheiden sich Unternehmen für den Service, müssen sie im Durchschnitt 30 Prozent „Premiumaufschlag“ für die aus Deutschland heraus bereitgestellten Dienste bezahlen. Ein mehr als legitimer Aufschlag. Vor allem dann, wenn die bereitgestellten agilen Services mit Lookalike-Lösungen anderer Hoster oder Anbieter verglichen werden. Aber auch hier gilt: Unternehmen werden nur dann profitieren, wenn sie auch sinn- und mehrwertstiftende Lösungen und Szenarien auf Basis der Technologien anbieten.
Was bleibt?
Solange reine Effizienzüberlegungen zur Auswahl von Cloud-Services zugrunde gelegt werden, ist Deutschland unterlegen. Zu hoch sind die Kosten für Energie oder Betrieb der Rechenzentren. Für viele Entscheider in Anwenderunternehmen ist der Datenschutz völlig zu Recht ein höchst relevantes Thema, das zwar in Deutschland gut, aber noch nicht gut genug umgesetzt wird. Auch wenn der Aspekt Datenschutz zu oft nur als Vorwand und nicht als konkreter Einwand vorgebracht wurde, haben hier nahezu alle relevanten Cloud-Anbieter ein Hindernis identifiziert.
Da also alle davon ausgehen, dass das Cloud-Geschäft sehr profitabel sein wird, wird kräftig investiert. Es dauert halt eine gewisse Zeit, bis sich die Kosten durch Größenvorteile für die Betreiber reduzieren und die Margen steigen. Bis dahin gilt es, Marktanteile zu gewinnen und Kunden zu binden. Microsoft wird nach eigenen Angaben in den kommenden Jahren einen dreistelligen Millionenbetrag in dieses Projekt investieren. Kunden bekommen hierdurch eine neue Beschaffungsoption, Microsoft erschließt sich den Markt und ein zentrales Element des Cloud-Computings bleibt auf der Strecke.
Microsoft macht alles richtig, und dennoch das Falsche. Mit der Anpassung der Strategie folgt Microsoft einerseits den Bedürfnissen der Zielgruppe – ggf. auch deren Bedarfen, konterkariert dabei aber die eigene Vision der intelligenten Cloud.
Auf der anderen Seite geht es um die schnelle kurzfristige Erschließung der Märkte. Der Anschluss an AWS soll geschafft werden.“
„Microsoft zeigt wie es richtig geht!“
René Büst ist Senior Analyst und Cloud Practice Lead bei der Crisp Research AG mit dem Fokus auf Cloud Computing
„Gutes braucht Zeit. So scheint es auch bei Microsoft der Fall zu sein. Nachdem neben den Amazon Web Services alle relevanten Public Cloud Anbieter mit einem Rechenzentrum den deutschen Markt erreicht haben, startet nun auch das Unternehmen aus Redmond nach zweijähriger Planungsphase seine Cloud-Angebote auf deutschem Boden.
Microsoft Cloud-Rechenzentren in Frankfurt und Magdeburg
Nachdem die Amazon Web Services (AWS) im vergangenen Oktober mit einer eigenen Cloud-Region (bestehend aus zwei Rechenzentren) im deutschen Markt angekommen sind, folgten IBM Softlayer im Dezember, VMware im März und zuletzt Salesforce im August diesen Jahres.
Microsoft, als stärkster Verfolger der Amazon Web Services, hatte es bisher nicht geschafft, ein eigenes Rechenzentrum für den deutschen Markt zu präsentieren. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund unverständlich, da Microsoft seit vielen Jahren mit einer eigenen Organisation auf dem deutschen Markt präsent ist und die Bedenken und Anforderungen deutscher Unternehmenskunden kennen sollte.
Doch diese Zeiten sind bald vorüber. Im Frühjahr 2016 wird Microsoft eine Cloud-Region, bestehend aus zwei Rechenzentren in Frankfurt und Biere bei Magdeburg (plus einem Operation Rechenzentrum), im Rahmen einer Pilotphase zusammen mit ausgewählten Kunden eröffnen. Die Planungsphase betrug etwa zwei Jahre und man muss Microsoft zu Gute halten, dass diese Zeit gut investiert war. Denn Microsoft zeigt dem Public Cloud Mitbewerb wie es richtig geht!
Microsoft geht die Extra-Meile
Aus seiner deutschen Cloud-Region wird Microsoft die Produkte Microsoft Azure, Office 365 sowie Dynamics CRM Online ausliefern. Nach der Pilotphase ist ein dreistufiger Rollout vorgesehen, der für den Sommer und Herbst 2016 geplant ist. In diesem Rahmen wird zunächst Microsoft Azure (als technische Basis) bereitgestellt, anschließend Office 365 und am Ende Dynamics CRM Online, so dass alle drei wichtigen Microsoft Public Cloud-Produkte im zweiten Halbjahr 2016 für den kommerziellen Betrieb zur Verfügung stehen.
Anders als seine Mitbewerber stellt Microsoft allerdings nicht nur ein bisschen Beton, Hardware und Software auf deutschen Grund. Nein, Microsoft geht die Extra-Meile, was die zwei Jahre Planungszeit bzw. das Nachzügler-Verhalten hinsichtlich eines deutschen Rechenzentrums erklärt. Hierfür hat Microsoft ein Rahmenwerk geschaffen, das sich im Wesentlichen aus den drei folgenden Bereichen zusammensetzt:
1.Sowohl Microsoft Azure als auch Office 365 und Dynamics CRM Online werden vollständig als autarke Produktinstanzen betrieben. Es existiert KEINE Verbindung zur globalen Microsoft Cloud-Infrastruktur. Hierzu stellt Microsoft beispielweise ein komplett eigenständiges Active Directory bereit, das lediglich in Deutschland verfügbar ist.
2.Dieses autarke Konstrukt wird dadurch sichergestellt, dass diese Microsoft Cloud ausschließlich in Deutschland vorhanden ist. Es bestehen keine direkten Datenverbindungen in andere Länder oder internationale Netze. Die beiden deutschen Rechenzentren sind anhand eines eigenen Datennetzes miteinander verbunden. Deutsche Unternehmen, die eine hybride direkte Verbindung zu dieser Microsoft Cloud herstellen möchten, können dazu auf Azure Route Express, also über exklusive Direktleitungen von Partnern wie z.B. Colt, zurückgreifen.
3.Microsoft gibt sämtliche Zugriffskontrollen auf physischer und technischer Ebene, sowie den Aufbau und die Wartung der Cloud-Infrastruktur an einen sogenannten unabhängigen deutschen „Datentreuhänder“ in Persona von T-Systems ab. Das bedeutet, dass T-Systems zu 100 Prozent für den Betrieb (inkl. dem Ausrollen neuer Microsoft Cloud-Services, Updates etc.) der Microsoft Cloud in Deutschland verantwortlich ist. Microsoft versichert, keinen Zugriff auf die Cloud-Umgebung zu haben. Microsoft-Techniker stehen maximal zur Beratung zur Seite, erhalten aber keinen Zugriff.
Deutsche Kunden haben ab 2016 somit die Wahl, die globale Microsoft Cloud zu nutzen, oder sich für den exklusiven deutschen Hafen einer autarken Microsoft Cloud-Instanz zu entscheiden. Allerdings wird für die Nutzung aller Cloud-Dienste in Deutschland ein Preis-Premium fällig, der mit der Sicherstellung des deutschen Datenschutzes und der Datensicherheit begründet wird. Dass eine höhere Datensicherheit in Deutschland gewährleistet wird, sei mal dahingestellt. Lesen Sie hierzu bitte „Klartext: Datenschutz vs. Datensicherheit Spionage im Cloud-Zeitalter“. Allerdings ist das Thema Datenschutz von personenbezogenen Daten, insbesondere nach dem kürzlich gefällten Safe-Harbor-Urteil, umso wichtiger geworden. Dennoch, der Preisaufschlag lässt sich im Grunde ganz einfach damit erklären, dass durch den eingesetzten Datentreuhänder, T-Systems, die Wertschöpfungskette „verlängert“ wird.
Eines darf jedoch nicht unerwähnt bleiben, der autarke Ansatz bringt auch einen technischen Nachteil mit sich. Eine globale Skalierung in andere weltweite Microsoft Cloud-Regionen ist auf Knopfdruck damit nicht möglich. Eine Expansion kann nur manuell mittels „Copy and Paste“ anhand von Blueprints oder dem Import / Export von Daten, virtuellen Maschinen etc. erfolgen, ohne die Ressourcen direkt in andere weltweite Rechenzentren kopieren zu können. Gleiches gilt für den Aufbau einer Georedundanz z.B. mit der Microsoft Cloud-Region in Irland. Das gilt sowohl für Azure als auch für Office 365 und Dynamics CRM Online. Unternehmen, die global agieren, müssen sich also genau überlegen, ob dieses Modell für sie in Frage kommt, denn eine durchgängige Vernetzung der weltweiten Cloud-Regionen ist nicht möglich.
Implikationen für den deutschen Cloud-Markt
Microsofts Datentreuhändermodell (vergleichbar mit der Variante für den chinesischen Markt) ist in seiner Form einzigartig und zeigt die Weitsicht, mit der sich die Microsoft Führungsebene und Rechtsabteilung mit der Herausforderung des deutschen Cloud-Marktes auseinandergesetzt hat. Auf Grund des Rechtsmodells müssen Kunden zwar etwaige technische Abstriche machen. Wer allerdings wegen der unsicheren Rechtslage bisweilen auf die Nutzung von Public Cloud-Services verzichtet hat, dem steht nun eine Lösung zur Verfügung. Mit dieser Konstellation hat prinzipiell nun kein deutscher IT-Entscheider noch Argumente in der Hand sich gegen die Nutzung von Cloud-Lösungen á la Microsoft zu entscheiden. Das wird auch auf den Führungsetagen deutscher Unternehmen ankommen, die den Druck auf ihre IT-Abteilungen damit erhöhen dürften.
Microsoft schlägt mit diesem Ansatz zwei Fliegen mit einer Klappe. Einerseits wird damit das Bestandsgeschäft (Lizenzen) sowie die On-Premise und Private Cloud Lösungen gesichert. Anderseits wird bestehenden und Neukunden damit der Zugriff auf Public Cloud Services ermöglicht, um bestehende Applikationen und Systeme direkt abzulösen oder in einem Hybrid Cloud-Modell zu integrieren oder stufenweise zu überführen.
Der Mitbewerb, vor allem VMware und IBM Softlayer werden diese Entwicklung mit Argusaugen verfolgen. Beide Anbieter stehen vor ähnlichen Herausforderungen, um Legacy-Kunden, -Applikationen und -Systeme auf ihre Public Cloud-Umgebungen zu manövrieren bzw. hybrid zu integrieren. Für die Amazon Web Services und Salesforce würde sich diese Variante hingegen nicht lohnen. Beide Anbieter schreiben ihre Pure Public Cloud Story, in der keine Legacy-Kunden vorkommen und in der die Themen Hybrid oder gar Private Cloud weitestgehend vernachlässigt werden.
Für die Technologie-Partner im Kontext des „Cloud OS Partner Network“ dürfte die deutsche Microsoft Cloud-Region allerdings ein Schlag ins Gesicht sein. Das „Azure Pack“, mit dem lokale Managed Service Provider (MSP) eigene Azure-basierte Cloud-Umgebungen aufbauen können, ist mit diesem Modell wohl dem Tode geweiht. Gleiches gilt für die gehosteten Azure-Angebote dieser MSPs.
Abschließend lässt sich festhalten, dass man Microsoft für diesen durchdachten Schachzug nur beglückwünschen kann. Die Pflicht, ein Rechenzentrum auf deutschen Grund zu errichten, um darüber Cloud-Services lokal auszuliefern und die physische Speicherung der Daten zu gewährleisten, haben soweit alle amerikanischen Public Cloud Anbieter erfüllt. Microsoft ist derzeit jedoch der einzige Anbieter, der sich auch ernsthaft der Kür, Rechtssicherheit und Souveränität, widmet und diese scheinbar erfolgreich abschließen wird.
Auf technischer Ebene ist Microsoft mit Azure seit geraumer Zeit mit den Amazon Web Services on par und auch mit Office 365 brauchen sich die Redmonder bei weitem nicht verstecken. Ob sich diese deutsche Lösung am Ende aber tatsächlich auszahlen wird, das lässt sich frühestens ab dem kommenden Jahr sagen. Nach Aussagen von Microsoft zeigen erste potentielle Kunden bereits Interesse an diesem Ansatz.
Aber auch für T-Systems sollte sich dieses Engagement auszahlen. So ist T-Systems dann in der Lage, seinen Kunden eine breite Palette von IaaS-Möglichkeiten zu bieten, die von der OpenStack-basierten Open Telekom Cloud über Azure bis hin zu Cisco- und VMware-basierten Angeboten reicht. Der Kunde kann also in Zukunft entscheiden was am besten zu ihm passt. Und das sind doch wirklich gute Nachrichten!“ hei
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